Stadtverordneten-Versammlung Herne 1897

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Siegelmarke Siegel der Stadt Herne W0381758.jpg
Als die Städte=Ordnung eingeführt wurde, entschied man sich für das sogenannte Zwei=Kammern=System, nämlich den Magistrat, einen kollegialischen Gemeinde=Vorstand unter dem Vorsitz des Bürgermeisters, sowie die Stadtverordneten=Versammlung, unter Leitung des Stadtverordneten=Vorstehers. Die Zahl der Stadtverordneten setzte der Gemeinderat am 3. November 1896 auf 30 fest. [1] Der Wahlausschuss bestand aus den Herren Bromen, Richter, Rautert und Schmidt.

Die Wahlen fanden vom 19. bis 23. Januar 1897 für die 3. Abteilung (4000 Wahlberechtigte) , am 25. Januar für die 2. (296 Wahlberechtigte) und am 26. Januar 1897 für die 1. Abteilung (10 Wahlberechtigte) statt.[2]

Die konstituierende Sitzung fand am 15. Februar 1897 statt.

Magistrat 1897

Die 30 Stadtverordneten wählten [am 15. Februar] mit 29 Stimmen den Amtmann Schaefer zum Bürgermeister. Die Wahl erhielt [am 24. März 1897] die Bestätigung S.M. des Königs.

Mitglieder 1897

  • Stadtverordneten-Vorsteher Louis Lauten, bis Oktober 1899.
  • stellv. Stadtverordneten-Vorsteher Carl Hövels, ab September Hermann Hölscher.
  • Schriftführer: A. Schmidt
  • stellv. Schriftführer: Kartenberg

1. Abteilung

2. Abteilung

3. Abteilung

  • Schuhmachermeister Friedrich Bromen (Zentrum), 805 Stimmen
  • Fuhrunternehmer Ludwig Bösser, (Liberal) 797 S.
  • Bergmann Wilhelm Hülsmann, (Liberal) 847 S. (1855-1930)
  • Uhrmacher Eduard Klüsener, (Liberal) 833 S. (1858-1913)
  • Kaufmann Julius Meimberg (Zentrum), 779 S. (1838-1902)
  • Wirt Diedrich Möller, (Liberal) 830 S.
  • Bergmann Erasmus Nolte (Zentrum), 815 S.
  • Bergmann Wilhelm Steinmann, (Arbeiterschaft) 1053 S. (1853-1913)
  • Bergmann Wilhelm Stemmermann gen. Schäfer, (Liberal) 849 S.
  • Fuhrunternehmer Georg Tölle (Zentrum), 820 S. (1831-1909)

Protokoll der ersten Stadtverodnetenversammlung

Der Generalanzeiger für Dortmund und die Provinz Westfalen berichtete in seiner Ausgabe vom 16. Februar 1897 auf ihrer dritten Seite:

Die erste Stadtverordnetensitzung in Herne.

Herne, 15. Februar.

Der heutige Tag war für unser städtisches Gemeinwesen ein Tag geschichtlicher Bedeutung. Zum ersten Male traten die Stadtverordneten zur gemeinschaftlichen Sitzung zusammen, um über das Wohl der neuen Stadt Herne zu raten und zu thaten.

Der Schulsaal an der Mont=Cenisstraße war von Herrn Baumeister Fuchs auf das Geschmackvollste ausgestattet und mit frischem Grün und Laubwerk dekoriert. Die Gruppierung der Stadtverordneten war eine höchst praktische, sodaß noch ein ansehnlicher Raum für die Zuhörer übrig blieb. Ein hübscher Platz war für die Vertreter der Presse hergerichtet, welche überhaupt in der zuvorkommendsten Weise behandelt wurden, wofür Herrn Amtmann Schaefer Dank und Anerkennung gebührt.

Das neugewählte Kollegium war vollzählig erschienen und wurde von dem als Regierungskommissar fungierenden Herrn Amtmann Schäfer auf das freundlichste begrüßt und willkommen geheißen. Derselbe leitete die Verhandlungen mit folgenden Worten ein:

"Meine Herren! Ich erkläre die Sitzung für eröffnet. Wir stehen heute an einem bedeutsamen Wendepunkt in der Entwickelung unseres Gemeinwesens. Die Stadtverordneten der neuen Stadt Herne halten ihre erste Sitzung ab. Unsere Gemeinde hat sich in außerordentlich schneller Weise entwickelt. Die Ausdehnung der Industrie, der gewaltige Aufschwung im Handel und Gewerbe hat dazu geführt, daß unserer Bevölkerung das Kleid der Landgemeinde zu eng wurde. Der Wunsch brach sich Bahn, die Gemeinde Herne in die Reihe der westfälischen Städte zu erheben. Dieser Wunsch wurde von der königl. Regierung befürwortet und wir erlebten die Freude, daß auch höheren Orts unser Wunsch erfüllt wurde. Ich erlaube mir, die diesbezügliche Kabinetsordre im Wortlaut mitzuteilen:

Auf den Bericht vom 16. September ds. Js. will Ich auf Grund des§ 1 der Landgemeinde=Ordnung für die Provinz Westfalen vom Jahre 1856 der im Landkreise Bochum im Regierungsbezirk Arnsberg belegenen Landgemeinde Herne die Städteordnung in Gnaden verleihen. 
Neues Palais, 20. Sept. 1896.
gez.: Wilhelm R.
gegengez.: Frhr. v. d. Recke.

Die staatlichen Verwaltungsbehörden erließen daraufhin die zur Ausführung dieser Kabinetsordre erforderlichen Verfügungen und ordneten die Wahlen der Stadtverordneten an. Diese sind geschehen und Einsprüche gegen die Wahlen sind nicht erfolgt, so daß also sämtliche Wahlen rechtsgültig sind. Der Regierungspräsident hat mich beauftragt, die Verhandlungen zu leiten, bis Sie aus Ihrer Mitte einen Vorsitzenden bestimmt haben. Es liegt mir nun die Pflicht ob. Sie durch Handschlag zu verpflichten und in Ihr Amt einzuführen.

Meine Herren! An Sie treten hochwichtige Aufgaben heran, deren Beschlußfassung Ihnen obliegt. Die kommenden Jahre werden neue Bedürfnisse bringen, und ich zweifle nicht, daß jeder vernünftige Vorschlag in dem neuen Kollegium erwogen wird. Bei allen Beschlüssen wird auch sicherlich Bedacht genommen werden, daß der Steuerdruck kein zu hoher wird. Die Bevölkerung dieser jungen Stadt hat durch die Wahl bewiesen, daß sie ihren Vertretern das vollste Vertrauen entgegenbringt und ich bin gewiß, daß Sie, meine Herren, das Vertrauen zu würdigen wissen. Sie werden nach bestem Wissen und Gewissen ihres Amtes walten und dieses Gelöbnis bezeugen Sie durch den Handschlag, den ich nunmehr von Ihnen entgegen nehme. Ich erkläre hiermit die Stadtverordnetenversammlung für konstutiert.

Bevor wir nun zum weiteren Punkt der Tagesordnung übergehen, geziemt es sich wohl, eine patriotische Pflicht zu erfüllen. Als Vertreter der jüngsten Stadt Preußens wollen wir in diesem ernsten Augenblicke geloben, allzeit treu zu stehen zu Kaiser und Reich und die Vaterlandsliebe zu hegen und zu pflegen. Meine Herren, in der ersten Stadtverordnetensitzung soll unser Ruf heißen: Sr. Majestät. Kaiser Wilhelm II. soll leben hoch. hoch, hoch!

„Hinauf wurde die Tagesordnung fortgesetzt.

Zunächst wurden die Herren Rechtsanwalt Hölscher, Kartenberg und Papentin als Stimmenzähler für die Wahl des Stadtverordneten=Vorstehers bestimmt. Von 30 abgegebenen Stimmen entfielen auf Kaufmann Lauten 26, der sonach mit großer Majorität gewählt war. Derselbe übernahm die Geschäfte mit Worten des Dankes für das bewiesene Vertrauen und versprach, die Verhandlungen stets gerecht und objektiv zu leiten, so gut es in seinen Kräften stände. Zum stellvertretenden Vorsitzenden wurde sodann mit 25 Stimmen Herr Hövels gewählt, welcher die Wahl dankend annahm.

Als erster Schriftführer ging aus der Wahl Herr Schmidt=Sodingen und zu dessen Stellvertreter Herr Kartenberg hervor.

Als Mitglieder, welche die Beschlüsse im Protokollbuch zu unterschreiben haben wurden bestimmt die Herren Bösser, Hölscher und Kartenberg und als deren Stellvertreter die Herren Schulte=Kortnack, Meinberg und Vogel.

Der letzte Punkt der Tagesordnung betraf die Beschlußfassung über noch etwa eingehende Wahlproteste. Da solche nicht vorlagen, war der Gegenstand von selbst erledigt.

Die öffentliche Sitzung wurde daraufhin vom Vorsitzenden Lauten geschlossen.

In der geheimen Sitzung wurde mit 29 von 30 Stimmen der bewährte Herr Amtmann Schaefer zum Bürgermeister der Stadt Herne gewählt Das Ergebnis wurde sofort nach Bekanntwerden durch Extrablätter verbreitet und mit Freuden begrüßt.

Herr Vorsteher Cremer wurde als Beigeordneter, die Herren W. Schlenkhoff. Papentin und Dickhoff als Magistratsmitglieder gewählt.“

Zweite Sitzung

Herne, 24. Februar.

Die Stadtverordneten unserer neuen Stadt waren heute in der neuen Schule an der Mont-Cenisstraße zu einer Sitzung vereinigt. Erschienen waren die Herren Bromen, Brösser, Klüsener, Möller, Nolte, Steinmann, Stemmermann, Tölle, Hölscher, Rosenkötter, Sacher, Vogel, Hövels, Voß, Schulte=Kortnack, Kartenberg, Köster, Behrens, Schlenkhoff, Papentin, Richter, Bremer, Dickhoff, Baum, Ranft, Otzen. Drei Stadtverordnete waren entschuldigt. Den Vorsitz führte Herr Stadtverordneten=Vorsteher Lauten.

Vor Eintritt in die Tagesordnung legte Herr Baumeister Fuchs die Pläne für den Rathausbau vor, über welche sich das Kollegium im Allgemeinen günstig aussprach.

Punkt 1 der Tagssorpnung lautete: „Beschlußfassung darüber, ob das städtische Standesamt nach dem 1. April dieses Jahres bis auf Weiteres mit demjenigen des Amtes Baukau verbunden bleiben soll.“

Herr Amtmann Schaefer referirte über den Gegenstand und richtete vorerst folgende Dankesworte an die Versammlung: Meine Herren! Ich nehme Gelegenheit, Ihnen meinen herzlichsten Dank auszusprechen für das Vertrauen, welches Sie mir durch die Wahl zum Bürgermeister dieser Stadt erwiesen. In diesem Vertrauen erblicke ich ein Führungsattest für meine langjährige Wirksamkeit im hiesigen Amte, und ich gebe das Versprechen, daß ich auch fernerhin bei bestem Willen stets ernstlich bestrebt sein werde, meines Amtes zum Wohle und Besten der jungen aufblühenden Stadt Herne zu walten.(Bravo.)

Zur Sache selbst schlug Herr Amtmann Schaefer vor, das hiesige Standesamt mit dem des neuen Amtes Baukau bis auf weiteres zu verbinden unter Beibehaltung sämtlicher Beamten. Am 1. April scheide die Stadt aus dem Amtsverband Herne aus und damit erlösche auch die Funktion des Standesbeamten, bezüglich der Beurkundung des Personenstandes. Andererseits fehle dem Amte Baukau ein Standesamt und deshalb sei eine vorläufige Zusammenlegung das Praktischste und die Kosten gemeinschaftlich zu tragen.

Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen und beschlossen, daß die Kosten zu zwei Drittel die Stadt Herne, zu ein Drittel das Amt Baukau trage.

Der 2. Punkt: Beschlußfassung darüber, ob die en Kassenbeamten und Einrichtungen, sowie die Vollzichungsbeamten nach dem 1. April d. J. bis auf Weiteres zwischen Stadt und Amt gemeinschaftlich bleiben sollen, gab zu einer kleinen Diskussion Anlaß.

Der Antrag wurde aber ebenfalls einstimmig angenommen und die Anstellung eines weiteren Verwaltungsbeamten beschlossen. Der Beschluß erstreckt sich nach den Ausführungen des Herrn Amtmanns Schäfer bis etwa November d. Jahres. Bis dahin wird das neue Amtsgebäude in Baukau fertiggestellt sein. Die Amtsgeschäfte des Amtes Baukau werden vorläufig in einem angemieteten Lokale erledigt.

Punkt 3 bezog sich auf das Polizeigefängnis, das gleichfalls bis auf Weiteres von Stadt und Amt verwaltet wird. Das Amt Baukau besitzt ein Arresthaus, in dem sämtliche Gefangenen des Amtsbezirks untergebracht und verpflegt werden sollen. Der bisherige Gefangenenwärter wird beibehalten. Das Amt hat die Arrestanten zu verpflegen, während die Stadt Herne die Miete zahlt und den Gefängnisbeamten besoldet.

Punkt 4 handelte von der Wahl einer provisorischen Armenkommission.

Dieselbe wurde zusammengesetzt aus den Herren Bromen, Voß, Mumme, Sacher, Höfels, Möller und Steinmann.

Herr Lauten brachte dann noch ein Schreiben der Reichsbankdirektion in Bochum zur Kenntnis, welches sich auf die Errichtung einer Reichsbanknebenstelle in Herne bezog. Die Einrichtung derselben kann als ziemlich gesichert gelten, falls die Bedingungen von der Stadtverordnetenversammlung angenommen werden, was zweifellos der Fall ist.

Herr Amtmann Schäfer bat, das Unternehmen, welches für den Handel und Gewerbe unserer Stadt von hohem Nutzen wäre, eifrigst zu fördern. Die auf heute Abend anberaumte Versammlung in dieser Angelegenheit bitte er daher zahlreich zu besuchen.

Damit schloß die öffentliche Sitzung, der eine geheime folgte.[4]

Amtseinführung Bürgermeister und Magistrat

„Privat-Depeschen des General=Anzeigers“.

Die Einführung des ersten Bürgermeisters der Stadt Herne.

Herne, 24. April. Heute Nachmittag 1 Uhr vollzog sich im Stadtverordnetensitzungsaale an der Mont=Cenisstraße die feierliche Einführung unseres ersten Bürgermeisters, Herrn Schäfer, und der Magistratsmitglieder.

Zu dem hochwichtigen Akte hatten sich die Stadtverordneten in Corpore eingefunden; außerdem wohnten der Feier viele Bürger der Stadt bei. Der Herr Regierungspräsident Winzer erschien in Begleitung des Herrn Landrats Spude von Bochum und wurde von dem Herrn Bürgermeister in Empfang genommen. Der Stadtverordnetenvorsteher eröffnete die feierliche Sitzung.

Er begrüßte den Herrn Regierungs=Präsidenten mit herzlichen Worten namens des Stadtverordneten=Kollegiums und der Bürgerschaft, hinweisend auf das bedeutungsvolle Ereignis, welches sich heute in diesem Saale abspiele.

Der Herr Regierungspräsident ergriff alsdann das Wort und gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß es ihm vergönnt worden, einen alten und erprobten Verwaltungsbeamten als Bürgermeister einzuführen.

Herne, früher eine unbedeutende Ortschaft, die man nur aus dem Kursbuche kannte, sei jetzt eine tüchtige Werkstätte des westfälischen Industriebezirks geworden, eine Stadt von 20000 Einwohnern.

Hierauf nahm der Herr Regierungspräsident die Einführung des Herrn Bürgermeisters Schäfer vor und verpflichtete denselben unter Hinweis auf den früher geleisteten Diensteid, wünschend, daß seine Thätigkeit als Bürgermeister eine recht gesegnete sei, namentlich für die Stadt und ihre Bürgerschaft. Herr Bürgermeister Schäfer dankte in tiefempfundener Weise dem Regierungsrat für das Wohlwollen, welches er der Stadt Herne gewidmet und er verspreche in dieser feierlichen Stunde, daß er sein Amt zum Heile der Stadt und zur Zufriedenheit der königlichen Behörden führen werde.

Hierauf wurden der Beigeordnete Herr Cremer und die Magistratsmitglieder die Herren Dieckhoff, Charpentier und Schlenkhoff in ihr Amt eingeführt.

Nach diesem feierlichen Akte fand ein gemeinschaftliches Festessen in dem Hotel Schlenkhoff statt, welches sich einer zahlreichen Beteiligung Seitens der Bürgerschaft erfreute. Während des Essens brachte der Herr Regierungspräsident Winzer den Toast auf den Kaiser aus.[5]


Verwandte Artikel

Quelle