Herne-Mitte ist das arme, reiche Stadtzentrum (WAZ 02.11.2014)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Im Herzen Hernes gibt es neben Jugendstilvillen und schmucken Geschäftshäusern die höchste Hartz-IV-Empfänger-Quote der Stadt. Der Handel auf der Bahnhofstraße floriert nicht so wie gewünscht.

Herne-Mitte ist das arme, reiche Stadtzentrum

Herne.

Der Mittelpunkt Hernes, das Herner Zentrum, hat die Bahnhofstraße als Hauptschlagader. Das reine Zentrum wird begrenzt von der Holsterhauser-/Sodinger Straße im Süden, vom Hauptbahnhof und seinen Gleisen im Norden, der Hermann-Löns-Straße im Westen und – so widersprüchlich es klingen mag: vom Westring im Osten. Das geografische Herz Hernes schlägt nicht mehr: Es ist das ehemalige Hertie-Kaufhaus, das – hoffentlich – jetzt zu neuem Leben erweckt wird.

Einwohnerzahl

Im Mittelpunkt Hernes mit seinen oben beschriebenen Grenzen zählen die Statistiker nur gut 5000 Einwohner, der Stadtteil Herne-Mitte mit seinen angrenzenden Gebieten zwischen Sodingen und A 43 hat jedoch 22 763 Einwohner, die Quote der Menschen mit ausländischen Wurzeln liegt hier bei 34,1 Prozent.

Bebauung

Hier konzentrieren sich die zentralen Einrichtungen des Einzelhandels, der Kultur und Verwaltung. Im Vergleich zu den Stadtzentren vieler anderer Großstädte weist das Herner Zentrum aber auch eine starke Wohnnutzung auf. Der statistische Bezirk Herne-Zentrum ist sogar der Herner Bezirk mit der zweithöchsten Einwohnerdichte.

Die Bebauung ist hoch verdichtet und überwiegend altbaulich geprägt. Viele schöne alte Fassaden, größtenteils im Jugend-, beispielsweise aber auch im expressionistischen Stil, sind erhalten, weil das Zentrum Hernes im Zweiten Weltkrieg weitestgehend von den Bomben der Alliierten verschont blieb. Deshalb gilt hier der Begriff „Goldene Stadt“. Allerdings sind – besonders in den 1960er- und 1970er-Jahren – auch eine Reihe stadtbildprägender neuer Wohn- und Geschäftsimmobilien entstanden. Herausragend im wahrsten Sinne sind hier die drei Wohntürme an der Kreuzkirche, für die Mitte der 70-er Jahre historischer Gebäudebestand zum Opfer fiel.

Im Hauptgeschäftszentrum entlang des Ende der 1990er Jahre neugestalteten Boulevard Bahnhofstraße macht der Leerstand einiger markanter Immobilien den bestehenden Anpassungsdruck sichtbar.

Einwohner-Struktur

Herne-Zentrum hat die höchste Dichte von Hartz-IV-Empfängern innerhalb der Stadtgrenzen – insbesondere bei den unter 15jährigen. Das Einkommensniveau liegt deutlich unterhalb des gesamtstädtischen Durchschnitts. Der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund ist klar überdurchschnittlich. Die Bevölkerung ist relativ jung.

Hinsichtlich der Haushaltsstruktur fällt den Statistikern auf, dass sowohl Single-, als auch Familien-Haushalte überrepräsentiert sind. Der statistische Bezirk weist zudem die höchste Wohnungsleerstandsquote der Stadt auf.

Wer diese Bausünde schön fand

Auch Oberbürgermeister Horst Schiereck schüttelt mit dem Kopf, wenn er die drei Wohntürme an der Kreuzkirche betrachtet. Dabei sind sie doch Mitte der 70er-Jahre unter den Maßgaben seiner SPD und seiner Vorgänger entstanden, Robert Brauner und Manfred Urbanski.

Man kann sie wohlwollend als Wahrzeichen bezeichnen, und der weite Blick aus den Wohnungen mag deren Bewohner entzücken, aber allgemein hat sich doch eher der Begriff Bausünde durchgesetzt, weniger der Begriff architektonische Meisterleistung.

Der damalige Stadtplaner Manfred Leyh lobte die Stadterneuerung in einem 1975 veröffentlichten Aufsatz allerdings als „gelungene Kommunalpolitik“. Stadtarchivar Jürgen Hagen entdeckte den Artikel bei den Recherchen für den WAZ-Stadtteilreport.

Ziel bei der Stadterneuerung, zu der neben den drei Wohnhochhäusern mit 20 Stockwerken auch der Ausbau der Bahnhofstraße als Fußgängerzone gehörte oder die U-Bahn-Verbindung nach Bochum, sei die angemessene Erneuerung menschenwürdiger Wohnbebauung gewesen, schrieb Leyh. Sein Aufsatz sollte deutlich machen, „welches Maß an Selbstvertrauen und Mut die Bürger, der Rat und die Verwaltung brauchen, um Beschlüsse mit derart langfristiger Wirkung zu fassen und zu vertreten“. Leyh war ein Kind seiner Zeit, das auf Entstaubung und Fortschritt setzte. Gesellschaftspolitisch war das sicherlich notwendig, architektonisch hatte das allerdings oftmals katastrophale Folgen.

Martin Tochtrop [1]

Herne-Mitte ist das arme, reiche Stadtzentrum [2]

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Siehe auch

Quellen